15.01.2021
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Die bayerische Staatskanzlei berichtet aus der Kabinettssitzung vom 12. Januar 2021, dass mit Blick auf die weiterhin sehr hohe Infektionsdynamik und zur stärkeren Eindämmung des Infektionsgeschehens der Ministerrat beschlossen habe, eine Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske im öffentlichen Personennahverkehr und im Einzelhandel ab Montag, den 18. Januar 2021, zu verordnen. Nach Mitteilung des bayerischen Gesundheitsministers soll die FFP2-Maskenpflicht in Bayern für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren nicht gelten.
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) sieht diesen Beschluss kritisch und empfiehlt dringend eine Überprüfung des Beschlusses und begründet ihre Auffassung nachfolgend.
Die Verwendung von Masken zum Schutz der Übertragung von Tröpfchen zählt als Teil der AHA+L-Regel zu den Grundpfeilern der Infektionsprävention von COVID-19.
Bisher war allgemeiner Konsens, dass im öffentlichen Bereich das Tragen einer sog. Mund-Nasenbedeckung (MNB) beziehungsweise von medizinischen Gesichtsmasken (MNS), falls in ausreichender Zahl verfügbar, empfohlen wird. Letzteres wird bislang auch in Kliniken praktiziert, in welchen das Tragen von medizinischen Gesichtsmasken als Standard zum Schutz von Patienten und Mitarbeitern angesehen wird. Das Tragen von Partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP2) zum Eigenschutz der Mitarbeiter wird lediglich bei Aerosol generierenden Maßnahmen u.a. auf Intensivstationen oder in der unmittelbaren Betreuung von Covid-19-Patienten bzw. bei der Verdachtsabklärung als erforderlich angesehen.
Bislang galt diese Maßnahme entsprechend den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als ausreichend, um den Schutz der Bevölkerung im öffentlichen Bereich zu gewährleisten.
Bei der jetzt in Bayern vorgeschriebenen Verwendung von FFP2-Masken in der Öffentlichkeit muss jedoch folgendes berücksichtigt werden:
Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes, ist das Tragen von FFP2-Masken durch geschultes und qualifiziertes Personal im medizinischen Bereich im Rahmen des Arbeitsschutzes vorgeschrieben, wenn patientennahe Tätigkeiten mit erhöhtem Übertragungsrisiko durch Aerosolproduktion, z.B. eine Intubation, durchgeführt werden.
Beim bestimmungsgemäßen Einsatz von FFP2-Masken muss eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung im Voraus angeboten werden, um durch den erhöhten Atemwiderstand entstehende Risiken für den individuellen Anwender medizinisch zu bewerten. Der Schutzeffekt der FFP2-Maske ist nur dann umfassend gewährleistet, wenn sie durchgehend und dicht sitzend (d.h. passend zum Gesicht und abschließend auf der Haut) getragen wird.
Bei der Anwendung durch Laien ist ein Eigenschutz über den Effekt eines korrekt getragenen Mund-Nasenschutzes (MNS) hinaus daher nicht zwangsläufig gegeben.
In den „Empfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Einsatz von Schutzmasken im Zusammenhang mit SARS-CoV-2“ werden FFP2-Masken nicht zur privaten Nutzung empfohlen.
Gemäß Vorgaben des Arbeitsschutzes ist die durchgehende Tragedauer von FFP2-Masken bei gesunden Menschen begrenzt (i.d.R. 75 Minuten mit folgender 30-minütiger Pause), um die Belastung des Arbeitnehmers durch den erhöhten Atemwiderstand zu minimieren. Bedingt durch den zweckbestimmten, zielgerichteten Einsatz sind keine Untersuchungen zu den gesundheitlichen, ggf. auch langfristigen Auswirkungen der Anwendung von FFP2-Masken außerhalb des Gesundheitswesens z.B. bei vulnerablen Personengruppen oder Kindern verfügbar.
Bei Gesundheitspersonal sind Nebenwirkungen wie z.B. Atembeschwerden oder Gesichtsdermatitis infolge des abschließenden Dichtsitzes beschrieben. Beim Einsatz bei Personen mit z.B. eingeschränkter Lungenfunktion oder älteren Personen sind gesundheitliche Auswirkungen nicht auszuschließen.
Die Anwendung durch Laien, insbesondere durch Personen, die einer vulnerablen Personengruppe angehören (z.B. Immunsupprimierte) sollte grundsätzlich nur nach sorgfältiger Abwägung von potentiellem Nutzen und unerwünschten Wirkungen erfolgen. Sie sollte möglichst ärztlich begleitet werden, um über die Handhabung und Risiken aufzuklären, einen korrekten Dichtsitz zu gewährleisten, die für den Träger vertretbare Tragedauer unter Berücksichtigung der Herstellerangaben individuell festzulegen und gesundheitliche Risiken/Folgen zu minimieren.
Es gibt zunehmend Hinweise, dass auch in Krankenhäusern und Pflegeheimen im Zusammenhang mit Ausbrüchen trotz Wechsel von MNS auf FFP2/KN95 Übertragungen stattfinden, z. B. wegen nicht korrektem Tragen, hohen Leckagen durch fehlende Gesichtsanpassung, fehlerhaftem Umgang mit der Maske beim An- und Ausziehen oder durch Verwendung von insuffizienter Importware ohne oder mit gefälschter CE-Kennzeichnung.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Auswirkungen rät die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) dringend dazu, die bayerische Empfehlung einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Vor einer Übernahme der bayerischen Verordnung durch andere Bundesländer rät die DGKH ab.
Mit den bisherigen, sich gegenseitig ergänzenden Maßnahmen wie Abstandsregel, Alltagsmaske, Hygienemaßnahmen und ausreichende Lüftung werden die Ziele des Infektionsschutzes bei korrekter und konsequenter Einhaltung in der Öffentlichkeit gewährleistet. Eine weitere Verbesserung des Infektionsschutzes könnte durchaus erzielt werden, wenn ausreichend medizinische Mund-Nasenschutz-Masken vorhanden wären, ohne dass es zu Engpässen in Kliniken und Pflegeheimen käme. Der medizinischen MNS hat im Gegensatz zu Alltagsmasken definierte Filtereigenschaften und ist im Vergleich zu FFP-2 Masken kostengünstig und kann auch länger getragen werden.
Die jetzige Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken in Bayern verunsichert die Bevölkerung im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit der bisherigen AHA+L-Regel.
Wenn eine Optimierung des Infektionsschutzes durch Masken erforderlich ist, dann sollte die Bevölkerung stattdessen zum korrekten Tragen, Prüfung auf Dichtsitz und Vermeidung von Leckagen der bisherigen Mund-Nasenbedeckungen motiviert werden. Hier sind dringend eine verbesserte Kommunikation und Schulung nötig.
Wir verweisen hier auf unsere Broschüre „Corona-Knigge für Jung und Alt“, herunterladbar unter www.krankenhaushygiene.de/corona-knigge
Martin Exner und Peter Walger
für die DGKH und die GHUP
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