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29.03.2020
„In der derzeitigen Situation kommt es in vielen Bereichen des Gesundheitswesens zu Lieferengpässen für FFP-Masken und Mund-Nasen-Schutz (MNS). Da das Coronavirus laut RKI überwiegend über Tröpfchen übertragen wird, gilt:
Jede Maske hat mehr Schutzwirkung für Träger und Gegenüber als keine Maske!
Falls es Engpässe gibt, muss ggfs. eine FFP3-Maske durch eine FFP2-Maske ersetzt werden, eine FFP-Maske durch einen MNS und dieser ggfs. durch textile Masken. Eine Nähanleitung für letztere findet sich auf der Website der Feuerwehr Essen (Achtung: Nach dem Nähen vor Ersteinsatz desinfizierend waschen).
Ggfs. können Masken auch personenbezogen länger getragen werden, z.B. eine Schicht oder einen Tag. Dies gilt insbesondere für Kontakte mit geringem Übertragungsrisiko, bei denen keine spezifischen Gefährdungen zu erwarten sind, z.B. Anästhesie im OP.
Bei Wiederverwendung müssen die Masken personenbezogen gekennzeichnet sein, sie müssen frei gelagert (oder aufgehängt) werden (also nicht in Behältern oder Säckchen aufbewahren). Sie sollen nicht mit Chemikalien desinfiziert werden. Der Effekt einer UV-Desinfektion oder Behandlung in der Mikrowelle ist nicht bekannt.
Das kontaminationsfreie An- und Abziehen sollte individuell geübt werden. Vorher und nachher ist immer eine Händedesinfektion durchzuführen.
MNS ist im Krankenhaus die Regel, FFP-Masken sollen nur in definitiven Risiko-Situationen getragen werden (Schutz bei Aerosolbildung durch diagnostischen oder therapeutischen Eingriff – z.B. Bronchoskopie, oder engem Pflegekontakt bei infiziertem Patienten oder noch nicht abgeklärtem Verdachtsfall, insbesondere auch offener Lungen-Tbc).
FFP-Masken sind im privaten Bereich unsinnig und Ressourcenvergeudung.“
Zu diesem Kurztipp erreichen uns nun laufend Anfragen von Behörden, Schneidereien, Unternehmen und Mitarbeitern im Gesundheitswesen.
Selbstverständlich handelt es sich bei textilen Masken nicht um Medizinprodukte im Sinne des Medizinprodukterechts. Es macht aus unserer Sicht auch keinen Sinn über eine eventuelle Zulassung textiler Masken als Medizinprodukte nachzudenken, da der Einsatz dieser Behelfsmasken kurz sein dürfte. Selbstgenähte textile Masken sollten nur dann zum Einsatz kommen, wenn tatsächlich in der Einrichtung des Gesundheitswesens keinerlei Einwegmasken mehr vorhanden sind. Wir gehen davon aus, dass in nächster Zeit wieder zunehmend Materialien der persönlichen Schutzausrüstung, also auch Masken, geliefert werden, so dass dann der Einsatz textiler Masken beendet werden kann und muss. Sie stellen aber weiterhin eine Alternative im privaten Bereich dar, wenn es gilt, den Gegenüber vor der eigenen Infektion zu schützen (unabhängig ob es sich um Covid-19 oder um eine andere Atemwegsinfektion handelt).
Das generelle Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) in Alten- und Pflegeheimen entspricht inzwischen auch den aktuellen RKI-Empfehlungen vom 23. 03. 2020. Es heisst hier: „Bei der Versorgung vulnerabler Patientengruppen im Rahmen einer Pandemie ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes durch das medizinische Personal aus Aspekten des Patientenschutzes angezeigt.“ Bevor das Personal von Alten- und Pflegeheimen wegen fehlender Bereitstellung von Masken ohne ausreichenden Schutz arbeitet und den RKI-Empfehlungen nicht folgen kann, sollten auch hier alternative textile Masken verwendet werden.
Es gilt die Devise, dass eine textile Maske vor Tröpfcheninfektionen mehr schützt als überhaupt keine Maske.
1897 beschrieb von Mikulicz Radecki erstmals die Nutzung einer Maske aus Gaze (Mull). In der Folge wurden diese weiterentwickelt (z.B. mehrere Lagen) und es konnte gezeigt werden, dass sie die Übertragung von Infektionen sowie die Häufigkeit von postoperativen Wundinfektionen reduzieren. Erst ab 1960 kamen dann neue Masken mit Filtermaterial auf den Markt. Natürlich erreichen textile Masken nicht das Rückhalte-Vermögen wie Filtermasken, aber ihre Filterleistung ist eben auch nicht Null und andere als textile Masken sind akut nicht herstellbar. Auch heute noch werden für Länder mit niedrigen Ressourcen textile Masken als bessere Alternative zu überhaupt keinen Masken empfohlen (IFIC 2011).
Die grundlegenden Daten zur Definition, den wissenschaftlichen und technischen Grundlagen, ihrer Schutzwirkung und Anwendbarkeit im Zusammenhang mit respiratorischen Infektionen, deren Übertragung durch Tröpfchen erfolgt, werden im Folgenden zusammengefasst.
Als „Gesichtsmasken“ werden umgangssprachlich sowohl spezielle Atemschutzmasken (in Deutschland FFP/filtering facepiece 1 – 3 genannt) wie auch Mund-Nasenschutzmasken („chirurgische OP-Masken“= MNS) subsummiert. Atemschutzmasken dienen dem Schutz des Trägers und werden in Deutschland nach den Vorschriften der Berufsgenossenschaften geprüft und als persönliche Schutzausrüstung (PSA) in Verkehr gebracht. Ein MNS ist ein Medizinprodukt. Normativ wird nicht die Schutzwirkung für den Träger, sondern die Keimabgabe in Richtung des Patienten geprüft. Natürlich wirken sie auch in der Gegenrichtung.
Als Stand der Wissenschaft bei der Prävention von Infektionskrankheiten gelten in Deutschland die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut. In den dortigen Empfehlungen zur „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ wird in (siehe Tabelle 1) die bei definierten Infektionskrankheiten notwendige Schutzausrüstung für medizinisches Personal empfohlen. Bei respiratorischen Infektionen bzw. Pneumonie durch Coronaviren (SARS, MERS) wird dem Personal die Nutzung einer FFP2-Maske empfohlen. Bei Patienten, die an einer saisonalen Influenza A oder B erkrankt sind, genügt ein MNS. Die Empfehlung des RKI zur Prävention der aviären Influenza lautet dagegen eine FFP-Maske. Patienten mit offener Lungentuberkulose sind unter Nutzung einer FFP2-Maske zu behandeln. Patienten mit durch multiresistente Mycobacterium tuberculosis (MDR-, XDRTbc) hervorgerufene offene Lungentuberkulose erfordern bei gleichem Erreger, biologischer Fitness des Erregers, demselben Übertragungsweg und unveränderter Kontagiosität demgegenüber das Tragen einer FFP3-Maske.
Aus dem Gesagten wird ersichtlich, dass die Empfehlungen im Ergebnis einer Risikoanalyse nicht allein durch die Qualität der „Gesichtsmasken“, sondern auch durch die bei einer Infektion zu erwartenden klinischen Konsequenzen erheblich beeinflusst werden.
Die physikalisch-technische Prüfung von Atemschutzmasken erfolgt durch das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz gemäß DIN 149 unter praxisnahen Bedingungen. Probanden werden mit Atemschutzmaske einem NaCl-Prüfaerosol ausgesetzt. Die mittlere Partikelgröße des Aerosols beträgt dabei 0,2 Mikrometer. Es ist wichtig zu verstehen, dass es einen absoluten Schutz vor der Inhalation von Aerosolen unter diesen Versuchsbedingungen nicht gibt (Tabelle 1).
Tabelle 1 - Vergleich der Anforderungen an partikelfiltrierende Halbmasken und an Mund-Nasen-Schutz (MNS)
Typ der Halbmaske | Mindestrückhaltevermögen des Filters bezüglich NaCÖ-Prüfaerosol | Maximal zulässige Gesamtleckage an Probanden |
---|---|---|
FFP 1 | 80% | 22% [a] |
FFP 2 | 94% | 8% [a] |
FFP 3 | 99% | 2% [a] |
MNS | [95%] (S. aureus) | nicht angegeben |
Der Mensch ist ohne technische Hilfsmittel (z. B. Absaugkatheter oder Induktion durch entsprechende Manipulation wie z. B. Endoskopie der tiefen Atemwege) jedoch nicht in der Lage, bei Hustenstößen oder Niesen aus dem Respirationstrakt derart kleine Tröpfchen zu produzieren. In klinisch relevanten Szenarien werden meist Tröpfchengrößen über 5 μm nachgewiesen. Modellversuche mit Bioaerosolen von bereits 1 Mikrometer zeigten gegenüber dem beschriebenen Versuchsmodell der Berufsgenossenschaften eine den Atemschutzmasken vergleichbare Schutzwirkung von MNS. Dieses konnte auch in klinischen Versuchsmodellen mit Staphylococcus aureus als Indikatorkeim belegt werden. Neben der Partikelgröße beeinflussen dann auch noch die chemische Zusammensetzung des Aerosols und die Geschwindigkeit, mit der die Tröpfchen auf die Gesichtsmaske gelangen, die Schutzwirkung. Durch Atemschutzmasken vom Typ FFP 1 – 3 wird in allen technischen Prüfungen eine optimale Schutzwirkung für Aerosole nachgewiesen. Ob diese Schutzwirkung auch bei Infektionskrankheiten notwendig ist, die durch weitaus größere Tröpfchen aus dem Respirationstrakt übertragen werden, belegen die Modelluntersuchungen nicht.
Die notwendige Schutzwirkung von Gesichtsmasken bei definierten Infektionskrankheiten kann nur durch epidemiologische Untersuchungen erbracht werden. Gesichtsmasken aus Baumwolle schützten 1918 Soldaten in der Mandschurei ausreichend vor der pandemisch auftretenden Influenza. Diese bereits 100 Jahre alte Publikation wird durch aktuelle Studien gestützt, die keine signifikanten Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit an saisonaler Influenza bei medizinischem Personal nachwiesen, welches bei Kontakt mit Erkrankten Atemschutzmasken oder MNS trug. Im Rahmen des Auftretens von SARS-Infektionen konnte in kanadischen Studien zu deren Ätiologie und Transmission gezeigt werden, dass das Tragen sowohl von MNS wie auch FFP-Masken gleichermaßen die Ansteckung von Pflegepersonal und Ärzten verhindert hat. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass weder MNS noch FFP-Masken die SARS-Transmissionen vollständig unterbunden haben (kein Unterschied zwischen beiden).
Technische Modellversuche legen nahe, dass bei durch kleine Partikel (Aerosole) übertragbaren und zugleich hochkontagiösen Infektionskrankheiten (z.B. Varizellen, Masern) die Verwendung einer Atemschutzmaske bei der Untersuchung oder Pflege eines Erkrankten zum Personalschutz sinnvoll sein kann. Auf Infektionen, deren Übertragung durch größere Tröpfchen aus dem Respirationstrakt des Erkrankten erfolgt (z.B. Influenza, SARS, COVID-19) lassen sich diese Ergebnisse jedoch nicht übertragen. Die Ergebnisse klinisch-epidemiologischer und experimenteller Untersuchungen zeigten bei diesen Infektionskrankheiten eine vergleichbare Schutzwirkung mehrlagiger chirurgischer Gesichtsmasken (MNS).
Peter Walger, Lutz Jatzwauk, Ricarda Schmithausen, Wolfgang Kohnen, Walter Popp, Thomas Grünwald
Der Kurztipp im Auftrag der DGKH gibt die Meinung der Autoren wieder.
Dieser Kurztipp gilt nur für die Zeit der Corona-Pandemie und solange es Lieferengpässe gibt.
Weitere Literatur bei den Verfassern
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